Ich glaube manchmal wirklich, dass ich meinen Beruf verfehlt habe.
Am letzten Sonntag (also nach den Unruhen mit Sohnemann) sagt mir Töchterchen abends, dass Jeremias gerne mit mir reden würde. Jeremias ist ein heute junger Mann, der mit Töchterchen in der gleichen Klasse war, als sie 10 waren. Ich habe ihn schon immer gemocht, und seit Töchterchen die Jugendgruppe gegründet hat, hab ich ihn auch wieder öfters gesehen.
Also gut, nachdem Töchterchen mir das gesagt hat, hab ich ihm eine kurze Nachricht geschickt : Töchterchen meint, du würdest gern mal vorbei kommen und mit mir reden. Du kannst jederzeit kommen. Ich bin eigentlich jeden Abend zu hause ausser am Mittwoch. Er antwortete erst 2 Stunden später : Oh das ist genial. Ich versuche an einem der nächsten Abende vorbei zu kommen, werde mich natürlich vorher melden. Danke, dass du da bist, das bedeutet mir viel.
Am Montag und Dienstag abend hatte ich ausnahmsweise Termine, und am Mittwoch Chorprobe, also hatte ich erst gestern Abend für ihn Zeit.
Kurz nach 18h war er bei mir angekommen. Töchterchen war nicht da und Sohnemann in seinem Zimmer. Wir setzten uns auf den Balkon und Jeremias erzählte mir, dass er in 1. Linie mit mir reden wollte, weil er nicht immer ganz ehrlich mit mir gewesen sei. Ich war etwas stutzig und er erklärte mir, dass er Marihuana rauche. Ich habe ihm dann gesagt, dass ich das schon gewusst hätte, ihm aber nicht rein reden wollte, denn schliesslich bin ich nicht seine Mutter und wir hatten – bis jetzt – keine engere Beziehung. Ich sagte ihm dann auch, dass ich das sehr schlecht finde und es sicher keine Lösung für irgendwelche Probleme sei. Dann hat er mir sehr intime Sachen erzählt und war sehr offen. Das hat mich einerseits erstaunt, denn er ist von Natur aus extrem scheu und zurückhaltend. Dass er den Mut gefasst hat und zu mir gekommen ist, fand ich sehr berührend.
Plötzlich meinte er, er müsse geh’s, es sei ja schon nach 20h. Ok, er ging also. Ich habe allerdings gespürt, dass er gehen wollte, weil das Gespräch zu tief gehen würde, wenn wir weiter reden. Ich denke, das hat ihm etwas Angst gemacht.
Als er weg war, habe ich ihm kurz darauf eine Nachricht geschickt und ihm gratuliert, dass er den Mut hatte, mir all diese Dinge zu erzählen und dass es für ein 1. Mal schon sehr viel sei. Ich kann sehr gut verstehen, dass er plötzlich den Mut verloren hat – schliesslich ist es nicht einfach, über seine Probleme zu sprechen. Jedenfalls weiss er, dass er wieder kommen darf, wenn er das Bedürfnis hat – darauf meinte er, dass ihm das wirklich sehr viel bedeute.
Wir werden sehen…