Gefühle unterdrücken – Schutzmechanismus oder Selbstverrat?


Seit bald zwei Jahren schreibe ich mit Frank. Am 3. Juli haben wir „unser Jubiläum“ 😀


Wir haben uns (bis jetzt leider) nie gesehen, aber ich fühle mich ihm irgendwie sehr verbunden. Vielleicht gerade, weil er oft so anders ist als ich. Ruhig, rational, zurückhaltend. Während ich offen schreibe – über meine Gedanken, Stimmungen, Erinnerungen – bleibt er meist auf Abstand. Nicht das ich etwas von ihm will, aber er ist mir in diesen 2 Jahren sehr als beratender und unterstützender Freund ans Herz gewachsen.

Neulich schrieb ich ihm:
„Sie erzählen von sich nicht wirklich viel… ich würde gern mehr über Sie wissen.“

Ich meinte das ehrlich. Nicht neugierig, sondern interessiert.
Ich habe das Gefühl, dass in Frank viel mehr steckt, als er zeigt. Dass er viel empfindet – aber kaum etwas davon nach außen lässt.

Seine Antwort lautete:
„Sie möchten gefühlvolle Worte lesen. Habe ich nicht. Gefühl – sofern man welches hat – bringt nur auf Irrwege.“

Ich musste diesen Satz mehrmals lesen.
Nicht, weil er mir fremd ist. Sondern weil er so typisch ist für Menschen, die irgendwann aufgehört haben, ihren Gefühlen zu trauen.

Ich glaube nicht, dass Frank keine Gefühle hat. Im Gegenteil. Ich glaube, dass er zu viel gefühlt hat. Und dass er irgendwann beschlossen hat: Nie wieder. Nie wieder ausgeliefert sein. Nie wieder verletzt. Nie wieder schwach.

Und so beginnt das, was viele Menschen tun:
Man unterdrückt, was man fühlt. Nicht weil man kalt ist – sondern weil man zu weich ist und sich schützen muss.
Manchmal geschieht das schleichend. Man funktioniert. Man denkt. Man plant. Man argumentiert.
Und irgendwann glaubt man selbst: Ich habe kein Gefühl.

Aber Gefühle verschwinden nicht. Sie lagern sich ein. Im Körper, im Inneren. Und irgendwann spürt man vielleicht: Ich bin müde. Leer. Gereizt. Erschöpft.
Und weiß gar nicht mehr, warum.

Ich habe Frank einmal geschrieben:
„Sie hätten schon Gefühle… das weiß ich… aber Sie tun alles, um diese nicht herauszulassen.“

Ich wünsche ihm, dass er es sich irgendwann (wieder) erlaubt – nicht für mich, sondern für sich selbst.
Denn wer fühlt, lebt.
Und wer sich berühren lässt, ist verletzlich – aber auch verbunden.

Vielleicht ist genau das der Punkt:
Gefühle machen uns verwundbar. Aber sie machen uns auch menschlich.

Vielleicht sind Gefühle nicht dazu da, verstanden zu werden.
Vielleicht reicht es, sie zuzulassen.
Nicht, um schwach zu sein, sondern um echt zu sein.
Vielleicht ist das Zulassen der Gefühle kein Zeichen von Kontrollverlust, sondern ein Akt von Mut und Vertrauen – in das Leben und in uns selbst.

Ich glaube, dass es sich lohnt, hinzuspüren. Auch wenn es manchmal weh tut.
Denn am Ende geht es nicht darum, keine Gefühle zu haben.
Sondern darum, mit ihnen zu leben – und sich selbst darin nicht zu verlieren, sondern zu finden.

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