Ich bin kein Psychologe. Aber ich bin überzeugt, dass Sohnemann in eine Depression geraten ist. Alles in ihm wirkt schwer, müde, ausgebrannt – und das schon lange. Die Corona-Zeit hat bei ihm tiefe Spuren hinterlassen. Er hat die Schule nicht abschliessen können – und seither ist vieles ins Wanken geraten. Für ihn. Für mich.

Vor Kurzem bekam er endlich eine Chance: eine Stelle, die ihm Freude gemacht hat, in der er aufblühte und Anerkennung fand. Zum ersten Mal seit Langem spürte ich wieder Hoffnung in seinem Blick. Doch nach nur zwei Monaten war alles vorbei – wirtschaftliche Gründe, Stellenabbau. Ausgerechnet ihn hat es getroffen. Ein harter Schlag. Für ihn war es, als hätte man ihm den Boden unter den Füssen weggezogen.
Dass er jetzt nicht sofort wieder voller Energie loszieht, sich bewirbt und „alles versucht“, ist für mich verständlich. Es geht nicht um Faulheit. Es geht um Erschöpfung. Um einen tiefen inneren Kampf, den man von aussen oft nicht sieht. Lange Zeit hat er jede Form von psychologischer Unterstützung strikt abgelehnt – wollte „das schon allein hinkriegen“. Erst vor wenigen Tagen, in einem Moment voller Wut und Frustration, hat er zum ersten Mal ausgesprochen: „Ich glaube, ich brauche einen Psychologen.“ Und auch wenn das schmerzhaft war – es war ein ehrlicher Moment. Vielleicht ein Anfang.
Doch viele sehen das nicht – und manchmal fühle ich mich damit ziemlich allein.
Auch finanziell ist die Situation sehr belastend. Sohnemann ist wieder komplett auf meine Unterstützung angewiesen. Die Krankenkassenprämien für uns beide betragen fast 1000 Franken im Monat. Die staatliche Prämienverbilligung wurde uns Anfang Jahr gestrichen – aus Gründen, die sich mir bis heute nicht erschliessen. Dazu kommen laufende Kosten, Steuern, offene Rechnungen – unter anderem von der Autowerkstatt. Ich weiss ehrlich gesagt nicht, wie ich das alles stemmen soll. Allein diesen Monat fehlen mir rund 1500 bis 2000 Franken, um grössere Probleme wie Betreibungen zu verhindern.

Rücklagen? Gibt es nicht. Seit der Scheidung war ich finanziell immer auf mich allein gestellt. Ich habe meine beiden Kinder allein (manchmal mit etwas Hilfe von Mama) durchgebracht – ohne Unterstützung vom Ex-Mann, denn er war selbst beim Sozialamt und konnte nichts beitragen. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) hat mir bis zum 18. Lebensjahr der Kinder monatlich je 100 Franken zugesprochen – mehr war nicht drin. Damit musste ich haushalten, rechnen, improvisieren – jahrelang. Und nun stehe ich wieder an einem Punkt, an dem ich einfach nicht mehr weiss, wie es weitergehen soll.
Was viele nicht wissen: Auch wenn Sohnemann volljährig ist, bin ich finanziell für ihn bis zu seinem 25. Lebensjahr verantwortlich. Rechtlich gesehen ist er zwar erwachsen, aber solange er keine abgeschlossene Ausbildung hat, liegt die finanzielle Last weiterhin bei mir. Das bedeutet auch, dass er selbst keine Sozialhilfe beantragen kann – weil zuerst ich aufkommen muss.
Auch Arbeitslosengeld kann er nicht beantragen. Dafür müsste er mindestens ein Jahr lang gearbeitet haben – was er ja aufgrund der Umstände nie konnte. Die Stelle, die er hatte, dauerte nur zwei Monate. Es gibt also keine Auffanglösung, kein Netz, keinen Anspruch. Gleichzeitig verdiene ich selbst gerade so viel, dass ich knapp aus dem System der Sozialhilfe herausfalle – ein paar Franken zu viel, um Anspruch auf Unterstützung zu haben. Es ist, als würde man zwischen zwei Stühlen sitzen – und keiner fängt einen auf.
Auch in meiner Familie kann mich niemand finanziell unterstützen (könnten sie es, würden sie es tun !). Und Claudius – ja, er ist da, und er hat mir in der Vergangenheit schon viel geholfen. Aber ich möchte ihn nicht wieder bitten. Er hat selbst genug Sorgen, die ihn belasten, und ich will nicht zur weiteren werden.
Auch Frank hat mir schon mehrmals geholfen – und dafür bin ich wirklich sehr dankbar. Doch ich möchte ihn nicht erneut um Unterstützung bitten. Zum einen, weil ich spüre, dass ich seine Geduld nicht überstrapazieren will. Zum anderen gehört er zu den Menschen, die glauben, Sohnemann sei einfach nur bequem oder faul. Ich habe mehrfach versucht, ihm zu erklären, dass es tiefer geht – dass es eben keine Frage des Wollens ist, sondern des Könnens. Aber ich habe das Gefühl, er glaubt mir nicht wirklich. Und das tut weh. Es tut meinem Mutterherz weh – weil ich sehe, wie sehr Sohnemann leidet, und weil ich spüre, dass sein innerer Kampf oft verkannt wird.
Ich schreibe das nicht, um zu jammern oder um Hilfe zu erbitten. Aber die Wahrheit ist: Ich bin an einem Punkt, an dem ich Unterstützung annehmen würde – wenn sie von Herzen kommt. Nicht, weil ich es mir wünsche oder leichtfertig darum bitte, sondern weil es im Moment einfach keine andere Möglichkeit sehe. Und wenn sich jemand angesprochen fühlt, würde ich das in grosser Dankbarkeit annehmen.
Ich weiss, dass ich nicht die Einzige bin, der es so geht. Einerseits schreibe ich das in der Hoffnung, vielleicht doch irgendwo einen Weg oder eine Lösung zu finden. Andererseits geht es mir aber auch vor allem darum, nicht zu schweigen. Um sichtbar zu machen, dass es uns gibt – uns, die finanziell und gesellschaftlich am Rand stehen, die oft nicht gesehen werden. Viele vergessen, dass man sich seine soziale Lage nicht immer aussucht. Manchmal geschehen im Leben Dinge, mit denen man nicht rechnet – Ereignisse, die alles durcheinanderbringen. Und das nicht aus eigenem Verschulden. Auch wenn uns manchmal die Kraft fehlt, das laut zu sagen: Wir sind da. Und wir geben nicht auf 💪🏻
Wie heisst es so schön :
