Wir Menschen denken, wir seien das intelligenteste Wesen auf Erden. Dabei sind wir nur Teil eines Ganzen, dem Göttlichen, dem Universum – nenne man es, wie man will – und scheitern oft an den einfachsten Dingen.
Ein Körper, der vergeht, ein Herz, das fühlt, ein Geist, der erschafft und zerstört – das ist unsere Natur.
Vielleicht sind wir tatsächlich eine Fehlkonstruktion.
Nicht, weil wir fehlerhaft wären – im Gegenteil: Die Natur hat ein Meisterwerk erschaffen, wenn man bedenkt, wie unser Körper funktioniert.
Aber unser Verstand macht uns manchmal – unbewusst – einen Strich durch die Rechnung.
Wir denken zu viel und fühlen zu stark.
Nicht der Körper ist die Fehlkonstruktion – sondern das Bewusstsein, das glaubt, alles verstehen zu müssen.

Doch wenn man in die Geschichte blickt, war die Menschheit schon immer ein ständiges Auf und Ab – eine Welle aus Aufstieg und Verfall.
Reiche entstanden aus Vision, Stärke und Ordnung – und gingen unter an Überheblichkeit, Dekadenz und Selbstvergessenheit.
Die Römer zum Beispiel: eine Hochkultur, die Wissen, Technik, Konstruktion, Recht und Kunst auf ein damals unerreichtes Niveau hob.
Sie bauten Strassen, Aquädukte und ein funktionierendes Rechtssystem, das noch heute nachklingt.
Und doch – sie verloren alles.
Nicht durch rohe Gewalt allein, sondern durch innere Erosion.
Ich denke, sie waren zu offen geworden.
Sie liessen alles zu, nahmen jeden auf, wollten alles verstehen, alles integrieren.
Ihre Grenzen verschwammen, ihr Selbstverständnis löste sich auf.
Toleranz wurde zur Beliebigkeit, Offenheit zur Schwäche.
Und so zerfiel das, was einst unerschütterlich schien – von innen heraus.
Ich nenne das „das Römersyndrom“.
Ein Phänomen, das sich – so scheint es – wiederholt.
Auch heute öffnen wir uns allem und allen, lassen jede Wahrheit gleich gelten, jedes Extrem zu, jede Richtung nebeneinander bestehen.
Wir nennen es Fortschritt, Vielfalt, Freiheit.
Ich glaube, wir sind längst an demselben Punkt angekommen – aufgeklärt bis zur Erschöpfung und frei bis zur inneren Leere.
Vielleicht besteht die Tragik des Menschen darin, dass wir im Streben nach Freiheit, Offenheit und Stärke genau das verlieren, was uns trägt – Richtung, Halt und Mitgefühl – und kaum bemerken, dass wir uns dabei auflösen.
Fehlkonstruktion Mensch?
Vielleicht nicht im biologischen Sinn.
Aber im moralischen, geistigen, gesellschaftlichen – immer wieder.