Toleranz – aber bitte für alle


Kürzlich stiess ich auf einen Beitrag, der mich zum Nachdenken brachte: Eine heterosexuelle Person wurde zu einem Fest eingeladen – vegan, queer, bunt. Sie fragte sich, ob sie dort willkommen sei. Nicht, weil sie Vorurteile hatte, sondern weil sie den Eindruck bekam, dass sie selbst sich anpassen müsse, ohne mit echter Offenheit rechnen zu können.

Irgendwie hat mich das zum Nachdenken gebracht. Ich beobachte Ähnliches auch anderswo. Etwa, wenn an kirchlichen oder gesellschaftlichen Anlässen nur noch vegetarisch oder vegan gegessen wird – stillschweigend vorausgesetzt, dass alle damit einverstanden sind. Ich habe nichts gegen fleischlose Küche, esse oft selbst so. Aber ich frage mich: Warum wird mir etwas aufgezwungen, was als freiwillige Haltung mehr Wirkung hätte?

Manchmal fühle ich mich als heterosexueller Mensch fast schon diskriminiert – nicht, weil mir etwas genommen wird, sondern weil ich das Gefühl habe, dass meine Sichtweise nicht mehr zählt oder zumindest nicht mehr ausgesprochen werden darf, ohne als „nicht mehr zeitgemäss“ zu gelten.

Was mir dabei auffällt: Zwischen etwa 1970 und 1990 war der Umgang oft entspannter. Menschen wie Elton John, Freddie Mercury oder Boy George wurden für ihr Können bewundert – nicht für ihre Essgewohnheiten oder ihre sexuelle Orientierung, sondern für ihre Kunst, ihre Ausstrahlung, ihre Persönlichkeit. Es war uns schlicht egal, ob jemand schwul war oder Fleisch ass. Der Mensch stand im Vordergrund – nicht das Label.

Und ich glaube: Viele LGBTIQ+ und Queer-Menschen wollen diesen ganzen Hype gar nicht. Sie wollen einfach leben – in Ruhe, mit Respekt, ohne ständig ein Thema zu sein. Genau das wäre echte Gleichberechtigung: wenn es einfach normal ist, verschieden zu sein.

Ein Gedanke beschäftigt mich besonders: Immer wieder liest man den Satz „Uns wurde der Regenbogen gestohlen“. Und irgendwie stimmt das. Der Regenbogen – einst Symbol für Frieden, Vielfalt, Hoffnung – ist heute fast ausschliesslich mit der LGBTIQ+-Bewegung verknüpft. Sobald man ihn in einem Logo oder auf einer Flagge sieht, denkt man automatisch in diese Richtung. Dabei gehört der Regenbogen uns allen. Er steht für Weite, Schönheit, Natur – für das Verbindende, nicht das Trennende.

Toleranz darf keine Einbahnstrasse sein. Sie lebt davon, dass wir Verschiedenheit aushalten – auch da, wo sie uns fremd ist oder unbequem. Es geht nicht darum, dass alle alles gut finden. Es geht darum, dass wir einander zugestehen, unterschiedlich zu leben, zu denken, zu essen, zu glauben oder zu lieben.

Ich akzeptiere Menschen in ihrer Vielfalt. Ich wünsche mir nur, dass auch meine Perspektive Teil dieser Vielfalt sein darf.

2 Kommentare zu “Toleranz – aber bitte für alle

  1. Du hast absolut recht.

    Wir werden etikettiert, beurteilt, schubladisiert. Diese Etiketten verhindern eine offene, ehrliche Kommunikation und untergraben jegliche Toleranz.

    Man hat gar Angst, sich eines „eindeutigen“ Symbols zu bedienen, um nicht in den Augen anderer in einer Schublade zu landen und be/ver-urteilt zu werden.

    E wunderschöne Daag unter dem Regenbogen

    Christoph

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