Immer wieder höre oder lese ich von Frauen, die freiwillig zum Islam konvertieren – und nicht nur das: Sie scheinen auch noch überzeugt davon zu sein, dass die Stellung der Frau in dieser Religion gut und gerecht sei. Für mich ist das schwer verständlich. Wie kann man sich bewusst einer Glaubensgemeinschaft anschliessen, in der Frauen – jedenfalls nach meinem Empfinden – nicht gleichgestellt sind, sondern in festen Rollen verharren sollen?
Ich sage das nicht aus völliger Distanz. Eine meiner besten Freundinnen ist Muslima. Sie trägt keinen Schleier, lebt sehr liberal und verkörpert Werte wie Offenheit, Herzlichkeit und Toleranz. Gerade durch sie weiss ich, dass der Islam nicht monolithisch ist, dass es Spielräume gibt, dass Glauben und Lebensstil individuell geprägt sein können.

Und doch bleibt da meine Irritation: Warum entscheiden sich Frauen – gerade in Europa, wo Freiheit, Selbstbestimmung und Gleichberechtigung zentrale Werte sind – bewusst für ein System, das vielerorts das Gegenteil lebt? Das Kopftuch wird oft als „Schutz“ beschrieben, als Befreiung von Schönheitsidealen. Doch ich frage mich: Ist es nicht vielmehr ein Symbol dafür, dass Frauenkörper kontrolliert werden müssen? Dass ihre Freiheit im öffentlichen Raum begrenzt wird? Und noch ein anderer Gedanke drängt sich mir auf: Wird damit nicht auch Männern ein fragwürdiges Bild zugeschrieben? Nämlich, dass sie sich angeblich nicht im Griff haben, sobald sie eine unverschleierte Frau sehen. Das ist im Grunde ebenso eine Diskriminierung der Männer – sie werden zu Triebwesen reduziert, die angeblich ohne äussere Regeln nicht fähig sind, respektvoll mit Frauen umzugehen.
Dabei möchte ich betonen: Ich habe nichts gegen eine Rollenverteilung zwischen Mann und Frau – im Gegenteil. Für mich persönlich wäre es ein schönes Lebensmodell, zu Hause zu sein, mich um Kinder, Haushalt und Garten zu kümmern und einen Partner zu haben, der für das Einkommen sorgt. So wie es früher oft selbstverständlich war. Aber für mich liegt der entscheidende Unterschied darin, dass ich diese Rolle aus freien Stücken wählen möchte – nicht, weil eine religiöse oder gesellschaftliche Vorschrift es so verlangt. Eine Partnerschaft auf Augenhöhe bedeutet, dass beide Seiten gleichwertig sind, auch wenn ihre Aufgaben unterschiedlich verteilt sind.
Mir ist bewusst: Niemand kann in die Motive und Empfindungen anderer Menschen hineinschauen. Vielleicht empfinden diese Frauen echte spirituelle Erfüllung, vielleicht finden sie Halt in klaren Regeln, vielleicht suchen sie Zugehörigkeit. Aber ich bleibe skeptisch. Ich bin überzeugt, dass viele Frauen zwar sagen, sie würden den Schleier freiwillig tragen, es aber in Wirklichkeit aufoktroyiert bekommen – sei es durch die Familie, den Partner oder subtilen gesellschaftlichen Druck. Und manchmal frage ich mich, ob diese Frauen sich nicht komisch vorkommen, wenn sie sehen, wie frei westliche Frauen leben. Hinzu kommt, dass es mich zunehmend stört, wenn ich hier – mitten in Europa – stellenweise das Gefühl habe, schon fast in einem muslimischen Land zu leben.
Gleichzeitig sehe ich an meiner Freundin, dass es auch anders geht: Sie ist praktizierende Muslima, fastet im Ramadan, aber sie protzt nicht damit herum. Sie respektiert unser christliches Land, will niemandem etwas aufzwingen, hat ihrem Sohn erklärt, warum wir Weihnachten feiern – und sie feiert es auch mit, schliesslich lebt sie hier. Für mich sind das absolut normale Verhaltensweisen und ein Beispiel für echte, gelebte gegenseitige Toleranz.
Am Ende kann und will ich den Entscheidungen anderer nicht die Würde absprechen. Aber für mich bleibt klar: Freiwillig auf Freiheit zu verzichten, ist und bleibt ein Rückschritt – egal, wie schön man es sich selbstredet.
Bravo. 100% Einverstanden.
Sehr schön und respektvoll dargestellt. Danke!!